Rats-Tv nein, Transparenz ja

Rats-Tv nein, Transparenz ja

Was verstehen die Mindener Politiker unter Bürgernähe?

Der Streit um die Einführung eines Rats-TVs zieht sich quer durch alle Mindener Fraktionen. Ihren Höhe- und Schlusspunkt fand die Debatte in der vergangenen Woche: Nach einer leidenschaftlichen Ratssitzung entschieden sich die Politiker mehrheitlich gegen Live-Übertragungen aus dem Plenum.

Rats-TV wollen wenige, Bürgernähe wollen alle. Politik müsse wieder transparenter werden, die Menschen stärker einbinden. Da waren sich die Ratsmitglieder einig.

Der MiKu wollte es genauer wissen und hat den Mindener Stadtrat gefragt:

Wie sieht bürgernahe Politik für Sie aus?

sydgds81-tomaschewski

Die Liberale Fraktion (FDP und Piraten)

Frank Tomaschewski, stellvertretender Fraktionsvorsitzender

Die Liberale Fraktion hatte schon im Herbst 2014 den Antrag auf Prüfung der Einführung eines Ratsfernsehens im Mindener Stadtrat gestellt. Ziel war es damals schon, die Bürger direkt vor Ort ‚abzuholen‘ und die Möglichkeit anzubieten, Berufstätigen, Behinderten, Senioren und kranken Menschen die Teilhabe am kommunalpolitischen Geschehen zu ermöglichen. Die zunehmende Politikverdrossenheit in den letzten Jahren zeigt, dass auch in der Kommunalpolitik umgedacht werden muss. Im Frühjahr dieses Jahres haben wir mit den Kollegen der FDP, Jörgen Happel und Hartmut Freise, den nächsten Vorstoß gewagt mit der Prüfung der Einführung einer Transparenzsatzung. In der Stadtverordnetenversammlung im Juli dieses Jahres wurde nach umfangreicher Diskussion ein einvernehmlicher Vorschlag angenommen, dass die Verwaltung alle Möglichkeiten im Rahmen der Verbesserung der Transparenz im Verhältnis zu den Bürgern und der Politik auch im laufenden Tagesgeschäft prüft und zukünftig umsetzt. Dies war der erste Schritt in die richtige Richtung.

sydgds81-stefan-schroeder

Die Linke

Stefan Schröder, Fraktionsvorsitzender

Schon seit Jahren fordern wir mehr Transparenz in der Kommunalpolitik und seit 2012 haben wir mehrfach auf die positiven Erfahrungen der Stadt Pfaffenhofen an der Ilm verwiesen. Ein Rats-TV kann aber nur ein Baustein hin zu mehr Transparenz in der Kommunalpolitik für die Bürgerinnen und Bürger sein. Deshalb fordern wir darüber hinaus eine Verbesserung der Bürgerinformationssysteme und setzen uns für die Einführung eines Bürgerhaushaltes ein. Auch die Bereitstellung
von finanziellen Mitteln zur kommunalen Bildungs- und Aufklärungsarbeit besonders in Schulen und Jugend und Bildungseinrichtungen ist eine unserer Kernforderungen. Schon heute binden wir interessierte Bürgerinnen und Bürger in unsere Arbeit ein. So können Bürgerinnen und Bürger gern als Gäste an unseren Fraktionssitzungen und Versammlungen teilnehmen oder wir unterstützen sie bei Anfragen und Anliegen an die Verwaltungen oder bei der Nutzung der derzeitigen Möglichkeiten der direkten Demokratie.

sydgds81-edith-von-wrisberg

Die Mindener Initiative (MI)

Edith von Wrisberg, stellvertretende Fraktionssprecherin

Ein Rats-TV ist kein Allheilmittel, um kommunalpolitische
Entscheidungen transparenter zu machen. Die Ausschuss- und
Ratssitzungen sind bereits öffentlich und wer die
Entscheidungswege der MI verfolgen will, hat diese
Möglichkeit in den öffentlichen Fraktionssitzungen der
Wählvereinigung, deren Termine vorher über verschiedene
Kanäle publiziert werden. Noch näher am
Entscheidungsgeschehen kann man als interessierter Bürger
kaum sein, weil hier intensiv informiert und diskutiert wird.
Mehr Transparenz geht eigentlich nicht. Hinzu kommt, dass die
Fraktionsmitglieder jederzeit zu den Themen, die Bürgerinnen
und Bürger unter den Nägeln brennen, ansprechbar sind.
Außerdem nutzen wir für nahezu jedermann zugängliche
Informationsplattformen wie das Internet und Soziale Medien
zur Verdeutlichung unserer Positionen. Aber es darf nicht nur
darauf geschaut werden, wie transparent die Politik ist. Auch
die Verwaltung trägt hier zunehmend Verantwortung.Ein
aktuelles Beispiel ist die städtebauliche Entwicklung am
Scharn. Hier weiß die breite Öffentlichkeit kaum, was geplant
ist. Es geht auch um ein öffentliches Gebäude, das den
Bürgern gehört und hier müssen Wege gefunden werden, zu
verdeutlichen, was passieren soll. Da steht vor allem aber
die Verwaltung in der Verantwortung.

sydgds81-brauns

AfD

Burkhard Brauns, Pressesprecher

Die AfD-Fraktion im Rat der Stadt Minden sieht Transparenz in der kommunalen Politik als einen wesentlichen Beitrag zur direkteren Demokratie, welche wir ausdrücklich befürworten. Das Rats-TV stellt eine Möglichkeit dar, Bürgern das Arbeiten ihrer gewählten Vertreter näher zu bringen. Eine ähnliche, vielleicht auch kostengünstigere Art kann das Rats-Radio darstellen, was allerdings noch zu prüfen wäre. Beides ermöglicht eine „Live-Schaltung“ in das politische Geschehen Mindens. Beide Formate können mehr Identifikation und gegebenenfalls Integration fördern.
Die in der Gemeindeordnung verankerte Einwohnerfrage ist leider ein unflexibles Werkzeug, da ein Dialog nicht stattfinden kann. Eine Möglichkeit für mehr Bürgerbeteiligung sehen wir in einer offenen, regelmäßigen, drei bis viermal jährlich stattfindenden Bürgersprechstunde in Form einer Podiumsdiskussion. Jeder Einwohner
kann somit in den Dialog mit der Verwaltung und Politik treten. Der Verwaltung gäbe es Gelegenheit, aktuelle und oft strittige Themen bürgernah darzustellen. Als Beispiel seien hier nur die Multihalle, Rathaus-Umbau oder das Thema Flüchtlinge genannt.

sydgds81-mucke

CDU

Hendrik Mucke, Pressesprecher

Nach Ansicht der CDU-Fraktion im Rat der Stadt Minden sollte jeder Akteur in der Kommunalpolitik nach Transparenz und Bürgernähe streben. Die Zeiten der so genannten „Hinterzimmerpolitik“ sind vorbei. Dennoch haben sich Politik und Bürger in der letzten Zeit weiter voneinander entfernt. Wer klassisch zu einer Veranstaltung einlädt, um interessiert Bürger zu informieren, steht meist vor leeren Stühlen. Neuere Formen der Kommunikation sind noch nicht komplett in der Kommunalpolitik angekommen. Hier müssen auch Hemmungen abgebaut werden, hier müssen wir besser werden. Parallel setzt sich die CDU für ein transparentes Verwaltungshandeln ein, damit auch die Politik die notwendigen Information vorliegen hat. Bürgernähe ist aber mehr als nur Information. Dass durch die CDU die Erhöhung der Grundsteuer für dieses Jahr abgewendet wurde, ist eindeutig ein gutes Beispiel gelebter Bürgernähe.

sydgds81-idelberger

Die Grünen

Horst Idelberger, Fraktionssprecher

Für die Grünen heißt Bürgernähe, dass wir uns der Bevölkerung in Minden zeigen und präsent sind. Am besten erreicht man die Bürger, wenn spezielle Projekte anstehen, die die Stadtgesellschaft bewegen. Bei Themen wie dem Regioport beispielsweise informieren wir die Bevölkerung vor Ort und beantworten ihre Fragen. Genauso haben wir es auch beim Bau der Mühlenkreisklinik vor einigen Jahren gemacht. Auch dort haben wir interessierte Bürger direkt über die Bebauungspläne aufgeklärt. Darauf gab es stets sehr positive Rückmeldungen. Eine weitere Idee von uns die Politik bürgernäher zu gestalten ist der Besuch von Schulklassen in den Ratssitzungen. Politische Bildung sollte bereits in den Schulen beginnen, um das Interesse und Verständnis zu wecken. In den Ratssitzungen können die Kinder und Jugendliche live sehen, wie Politik konkret aussieht und funktioniert. Leider gab es vom Bürgermeister kein positives Echo auf unseren Vorschlag.

SPD

Oliver Brosch-Guesnet, SPD-Stadtverbandsvorsitzender

Wir wollen kommunalpolitische Diskussionen und Entscheidungen verbessern – und nicht bloß die Kommunalpolitikerinnen ins Fernsehen bringen. Deshalb hat die SPD das Rats-TV abgelehnt, aber zugleich eine Initiative für mehr Bürgerbeteiligung in Minden auf den Weg gebracht. Wir freuen uns über die breite Zustimmung im Stadtrat für einen SPD-Antrag, der die Verwaltung beauftragt, dazu ein Konzept auszuarbeiten. Rat und Ausschüsse tagen fast immer öffentlich und die Vorlagen und Protokolle sind für alle im Internet zugänglich. Aber es gibt noch viele Verbesserungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch frühzeitigere Information über städtische Planungen und verständlichere Sprache. Die SPD-Stadtverordneten treffen sich regelmäßig mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort: Bei Schnatgängen in den Ortsteilen, bei Bürgergesprächen, Stammtischen oder Veranstaltungen wie dem Fest im Goethepark. Aber wir sollten jetzt über die Parteigrenzen hinweg darüber sprechen, wie wir die Kommunalpolitik noch bürgernaher gestalten können.